Otto Graf von Bismarck war ein in der ganzen Welt hoch angesehener Politiker und Staatsmann.

Die Verehrung und Wertschätzung für ihn drückte sich auf die mannigfaltigste Art und Weise aus. Mülheim wollte hier natürlich nicht hinten anstehen und verlieh Bismarck anlässlich seines 80. Geburtstages die Ehrenbürgerschaft der Stadt. Bismarck war Kult, er hatte Popstarstatus, was sich nach seinem Tod noch erheblich steigern sollte. Überall wurden Büsten, Denkmäler und Bismarcktürme eingeweiht. Auch in Mülheim sollte eine Bismarcksäule errichtet werden. Zu diesem Zweck rief man zu Geldspenden auf. Von den erforderlichen 25.000 Goldmark wurden aber nur 11.000 Goldmark gesammelt und so verschob man dieses Vorhaben erst einmal. Eingestellt wurden die Geldsammlungen dann komplett, als der gebürtige Mülheimer und später in Berlin lebende Dr. Hermann Leonhard 1904 einen Bauantrag zur Errichtung eines Bismarckturmes auf dem Kahlenberg stellte. Er und seine Ehefrau, Margarethe Stinnes, eine Tochter von Matthias Stinnes, hatten nach dem Tod ihres einzigen Kindes Gretchen mit einem großen Teil ihres Vermögens drei Stiftungen zu Gunsten ihrer Heimatstadt gegründet. Mit Geld aus einer dieser Stiftungen sollte nun der Bau eines Bismarckturms finanziert werden. In Mülheim rannte er mit diesem Ansinnen offene Türen ein. Mit dem Entwurf für den Turm hatte Dr. Leonhard den Beigeordneten und Baudezerneten der Stadt Mülheim, Carl Linnemann, beauftragt.

Vom Turm aus sollte man seinen Blick weit über das Ruhrtal schweifen lassen können und, um dafür den optimalen Standpunkt auf dem ausgewählten Baugrundstück festzulegen, benutzte man eine Drehleiter der Feuerwehr. Ausgefahren auf die geplante Höhe des Turms, diente sie Carl Linnemann und Oberbürgermeister Dr. Lembke als Ausguck und so konnte man die beste Positionierung für den Turm vornehmen. 1905 verstarb der Bauherr Dr. Leonhard, doch seine Witwe hielt an dem Bauvorhaben fest. Es sollte noch bis 1908 dauern, bis alle Planungen und Finanzierungen abgeschlossen waren und Carl Linnemann Frau Leonhard mitteilen konnte, dass die Baufirma Rudolphi mit der Errichtung des Turmes beauftragt worden ist und die Kosten ca. 60.000 Mark betragen würden.

Die feierliche Grundsteinlegung erfolgte am 02. August 1908 und die Arbeiten gingen zügig voran. Am Fuße misst der Turm 9 X 9 Meter, wird dann immer schlanker und misst nach oben nur noch 6 X 6 Meter. Seine Höhe beträgt 27 Meter, auf 20 Metern befindet sich ein rundum laufender Aussichtsbalkon. Üblicherweise wurde auf den Spitzen der Bismarcktürme Feuer abgebrannt. Mülheim wollte hier aber eine elektrische Beleuchtung anbringen. Nachdem diese in Presse und Bevölkerung aber als „Straßenlaterne“ bezeichnet wurde und aufgrund des eher mickrigen Lichtes gar nicht gut ankam, montierte man letztendlich doch eine Feuerschale. Der Turm ist ein Eisenbetonmauerwerk und besteht zum größten Teil aus Ruhrsandstein, nur bei den Kanten, Ecken und Balkonen wurde Niedermendiger Basaltlava verwendet. 98 Stufen führen zum Aussichtsbalkon und noch einmal 16 Stufen hat die Wendeltreppe zur Spitze. Pünktlich zum Geburtstag von Bismarck, dem 01.04.1909, konnte die Einweihung erfolgen.

Da Margarethe Leonhard, aufgrund einer Erkrankung, nicht daran teilnehmen konnte, tat dies stellvertretend der Neffe der Familie, Kommerzienrat Gerhard Küchen. Er nahm aus der Hand von Carl Linnemann den Schlüssel zum Turm entgegen, um diesen dann an Oberbürgermeister Dr. Lembke zu übergeben, mit den Worten, „dass der Turm von der Stadt allezeit geschützt, behütet und bewahrt werden möchte.“

Das Geld, welches für die Bismarcksäule gesammelt worden war,

sollte nun für eine Büste von Bismarck verwendet werden. Den Auftrag dazu bekam der Berliner Bildhauer Arnold Künne. Dieser hatte schon das Adlerrelief, das in der Mitte des Turmes, oberhalb des Balkons, zu sehen ist, geschaffen. Am 9. Dezember 1910 wurde die Büste im Turm aufgestellt. Im Hang vor dem Turm wurden kurze Zeit später zwei Feueraltare gebaut. Zum 01.04.1911, dem Geburtstag Bismarcks, wurden die Feuerschale auf dem Turm und die beiden Altare das erste Mal befeuert.

Für die Besteigung des Turms betrug das Eintrittsgeld 10 Pfennig für Erwachsene und 5 Pfennig für Kinder. Mit den eingenommenen Eintrittsgeldern wurde der Turmwärter bezahlt und der Turm unterhalten. Aber nicht nur als Ausflugsziel war der Turm beliebt. Bis zu Beginn des 2. Weltkrieges fanden hier auch immer wieder nationalistische Feiern statt. Die Hitlerjugend nutzte die Örtlichkeit gerne für ihre Sonnenwendfeiern.

Im Krieg hatte die Wehrmacht hier einen Flak- und Funkposten eingerichtet und von den britischen Besatzern wurde nach Kriegsende bis 1956 eine Funkstation betrieben. Danach war der Turm sich mehr oder weniger selbst überlassen. Das Innere wurde durch Vandalismus stark beschädigt und vergammelte zusehends. Die Stadt wollte kein Geld mehr in das Objekt stecken und dachte über einen Abriss nach. Ein Investor hatte Interesse an dem Gelände und wollte dort ein Wohnhochhaus errichten. Das kam bei der Bevölkerung gar nicht gut an. Mittlerweile zählte der Turm zu den Wahrzeichen der Stadt. Die Pläne wurden verworfen, stattdessen entschied man sich 1979, den Turm bis zum 75jährigen Bestehen im Jahr 1984 für 230.000 DM zu restaurieren. 1998 richtete der Künstler Jochen Leyendecker dort sein Atelier ein und betätigte sich gleichfalls als Türmer, indem er der Öffentlichkeit wieder Zutritt zum Turm gewährte. 2018 wurde der Turm dann endgültig wegen Baufälligkeit geschlossen.

(Quellen: Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr; Sammlung Zeitungsartikel, Stadt Mülheim an der Ruhr; Mülheimer Baudenkmäler: Der Bismarckturm, Mülheimer Jahrbuch 1959: Günther Schreiber, 50 Jahre Bismarckturm)